Tanz und Physiotherapie

Wer mich kennt, weiß, dass ich manchmal unkonventionelle Wege in meiner Therapie gehe:

Ich singe, ich schreie(*), ich lache, ich spiele, mit einer Demenzpatientin habe ich einen Apfelstrudel gebacken,

und ich tanze mit meinen Patienten.

WARUM TANZEN?

Dazu eine kleine Geschichte aus meinem "Therapeutinnennähkästchen":

Es sind jetzt schon fast 6 Jahre, da betreute ich einen relativ jungen Patienten, der nach einer Gehirntumor Operation eine Gehirnblutung erlitten und seither Schwierigkeiten mit zielgerichteten Bewegungen hatte.

Er saß im Rollstuhl und konnte nur kurze Strecken und die meist nur mit dem Rollmobil gehen.

Auch sein Gleichgewicht war gestört und sein Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt.

Psychisch ging es ihm natürlich dementsprechend auch schlecht.

Ich startete mit meinen üblichen/normalen Therapiemaßnahmen: Körperwahrnehmung schulen, Beweglichkeit verbessern, Gleichgewicht trainieren. 

Aber irgendwie war ich nicht glücklich damit.

Und dann hatte ich die Idee:

Wir machten etwas, das nicht so nach Therapie ausschaut und sich wie normales Leben anfühlt.

TANZEN.

Tanzen fördert

• harmonische Bewegungen,
• Ausdauer,
• Gleichgewicht,
• trainiert das Kurzzeitgedächtnis und
• schüttet Glückshormone aus!!

Wir begannen mit "Moon River" von Frank Sinatra, einem wunderschönen langsamen Walzer.

Und wirklich, er hatte richtig Freude daran, konnte gezielt Schritte vorwärts, seitwärts, rückwärts setzen und sich die Schrittkombinationen merken.

Und...

...er hatte ein Ziel: Er wollte seine Frau zu Silvester bei ihrem Hotelurlaub überraschen und sie zum Tanzen auffordern.

Glücklich schilderte er mir - er hatte alles mit der Band abgesprochen - wie er um Mitternacht sein Rollmobil zur Seite gestellt hat, aufgestanden ist und seine Frau unter Applaus der anderen Gäste zu "Moon River" aufgefordert hat.

Er hatte Tränen in den Augen.

Diesen Moment werde ich nicht vergessen.

Und nun mit den Tanzschritten:

Ich arbeite nicht nur in meiner Praxis, sondern mache auch Hausbesuche als mobile Physiotherapeutin beim Hilfswerk Niederösterreich.

Bei meinen Hausbesuchen komme ich zu Menschen, meist schon im fortgeschrittenen Alter, die nicht mehr mobil sind.

Die Ursachen sind vielfältig:

• Körperlich: Aufgrund von orthopädischen, neurologischen oder sonstigen Erkrankungen,
• Psychisch: Einsamkeit, Ängste, mangelnde Lebensfreude bis hin zur Depression.
• Demenz.

Häufig ist das Tanzen - natürlich angepasst an ihre Möglichkeiten -  ein wichtiger Bestandteil meiner Therapie.

Ein weiteres berührendes Erlebnis hatte ich mit einem Patienten, der mit Kniekontrakturen aus dem Koma erwacht war.

Das heißt, er konnte seine Knie nicht mehr strecken, nicht sitzen, nicht stehen, geschweige gehen.

Ich wurde geholt, mit dem Ziel, dass er stehen und irgendwann wieder auf die Toilette kann.

Nach intensivem Training: Kniemobilisation, Kräftigung, etc. hat er nicht nur wieder Golf gespielt, sondern in einer unserer letzten Therapien haben wir zu "Wurlitzermusik" in seinem Keller Boogie getanzt.

Unter diesem Link findest Du einen Artikel von Physio Austria zum Thema "Tanzen und Physiotherapie"

Ich habe mittlerweile einiges an Erfahrung mit Tanzen in der Therapie gesammelt und bin begeistert.

Gerne möchte ich euch diese Begeisterung weitergeben und plane - wie bei der "Hula Hoop Challenge" nun ein Tanzprojekt, bei dem wir natürlich auch den Reifen einsetzen können.

Ich hoffe, Du bist dabei!!

 (*) Schreien kann unheimlich befreiend sein. Nicht schreien vor Zorn und Ärger, sondern einfach so, weil es Spaß macht...probier es aus!

Ich habe insbesondere bei älteren Menschen festgestellt, dass die Stimme oft leise wird, sie tun sich schwer zu singen oder laut zu rufen. Und doch wäre das so wichtig. Oft animiere ich meine Patienten und schreie mit ihnen gemeinsam. Alleine wäre es ihnen peinlich, nur so, weil es Spaß macht und es führt immer zu einem befreiten Lachen...ach wie tut das gut!