Ängste sind weder positiv noch negativ.
Sie sind neutral, sie sind was wir zulassen, dass sie sind... .
Zusammenfassung eines Vortrages von Univ.-Prof.Prim.Dr. Reinhard Haller
Auch wenn Angst als Störung schwierig zu therapieren sein kann, ist es möglich Besserung zu schaffen.
Wichtig ist es sich nicht davor zu scheuen professionelle Hilfe bei Psychologen, Psychiatern oder Psychotherapeuten zu holen.
Angst ist ein zunehmendes Phänomen unserer Zeit, erstaunlich, da wir im Prinzip in einer sehr sicheren Zeit an einem sicheren Ort leben.
Schon vor der Geburt bis meist zum letzten Tag sind wir in einem Gesundheitssystem und Sozialsystem erfasst, und trotzdem nehmen Depressionen zu.
Laut WHO 2020 ist Depression die zweithäufigste Krankheit nach Grippeerkrankungen.
Warum das so ist, ist noch nicht klar, aber Angst ist eine zunehmende Störung.
Was ist Angst?
Angst ist weder gut noch schlecht, weder gesund noch krank.
Wir haben ein sehr ambivalentes Verhältnis zur Angst.
Ein afrikanisches Sprichwort sagt:
"Angst frisst die Seele auf."
Angst schützt aber auch vor Gefahr, mobilisiert meine Kräfte, hilft beim Bewältigen neuer Situationen, steigert unsere Leistungsfähigkeit.
Bis zu einem gewissen Grad ist es normal und lässt sich beeinflussen: Atemtechniken, Entspannung, Bewegung etc.
Wird es zur Krankheit, dann wird das sinnvolle System der "Generalmobilmachung" unseres autonomen Nervensystems überstrapaziert.
Es hat auf den ganzen Menschen und Körper Einfluss: Von Verspannungen, Schmerzen bis zu Engegefühlen, Bluthochdruck und Herzbeschwerden.
Der Radius, das Leben schränkt sich ein, man versucht Situationen zu vermeiden, spätestens dann muss man professionelle Hilfe holen.
Einige Formen der Ängste:
- Realängste: Umwelt, Jobverlust etc.
- Verlassenheitsängste: Eine der großen Urängste des Menschen
- Existenzängste
- Panikattacken: Zunächst unerklärlich
- Phobien
- Zwänge
- Psychotische Ängste: im Zusammenhang mit Depressionen und Schizophrenie etc.
Zahlen und Fakten:
- Jeder 4. Mensch hat irgendwann Ängste.
- Verhältnis Frau zu Mann 2:1
- Pathologische Ängste beginnen sehr früh, oft bei Eintritt ins Berufsleben.
- Generalisierte Erkrankungen nach dem 40. Lebensjahr.
- 20% der Bevölkerung leidet an behandlungsbedürftigen Angsterkrankungen.
Was nimmt Angst?
- Gruppenbildung: Verbrechen werden häufig in einer Gruppe/Banden gemacht.
- Autorität: Nimmt die Verantwortung.
Voraussetzung:
- Angstbereitschaft: Anlage (7% Vererbung), Temperament, Persönlichkeit.
- Wie ist mein Selbstwertempfinden, meine Emotionen?
- Erfahrungen: Posttraumatische Belastungsstörung. Oft erst nach einem halben Jahr!
- Erziehungsverhalten der Eltern: Wenn man Kinder extrem beschützen möchte und ängstlich erzieht.
- Wie gehe ich mit neuen Situationen um? Neugierig oder misstrauisch. Neugierde ist eine sehr positive Eigenschaft!
- Besonderheiten und Abweichungen im Bereich des Gehirnaufbaus und der Funktion: Hier kommt es meist zum Fehlen der Angst: Verbrecher haben einen Untererregung gewisser Gehirnregionen. (Spiegelneuronen sind häufig unterentwickelt: Wichtig für Empathie, wie auch beim Narzissmus.) Können aber alleine nicht alles erklären.
Beginn der Angst:
- Wahrnehmung: Wie wird eine reale Situation wahrgenommen?
- Einstellung: Chance oder Belastung?
Wann wird Angst zur Krankheit?
- Unangemessen stark.
- Zu häufig.
- Wenn man die Kontrolle verliert.
- Vermeidung von Situationen.
- Wenn man darunter leidet.
Angstkategorien:
1) Daseinsangst:
- Bedingt durch das Gefühl des "Weltverlusstes".
- Ich falle, bin ausgeliefert, bin nichtig, das "Nichts" ist bedrohlich.
- Ich lebe erst dann, wenn ich mich spüre: Ritzen.
2) Existentielle Angst:
- Wofür habe ich gelebt?
- Was ist der Sinn meines Daseins?
- Daseinsanalyse.
- Existenzielles Vakuum.
3) Psychotische Ängste:
- Schizophrenie,
- Depression: Angst vor Erkrankung, vor Existenzverlust, des Versündigens.
4) Hysterische, narzisstische Angst:
- Angst vor Bedeutungsverlusst: Ich werde nicht genügend geschätzt, geliebt, gewertschätzt.
- Nimmt in der heutigen Gesellschaft zu.
- Man baut einen Panzer um sich auf, um sich zu schützen.
- Oft die Flucht in narzisstische Drogen: Kokain, Extacy,..
5) Phobien und Angststörungen:
- Werden durch eine Situation oder Trigger ausgelöst.
- Angst ist unverhältnismäßig.
- Ca. 9% sind in einer schlimmen Form davon betroffen, kann viele Dinge und Bereiche betreffen.
6) Zwangsstörungen:
- 2,5% der Bevölkerung in Form einer Krankheit.
- Waschzwang
- Kontrollzwang
- Zählzwang
Was kann man gegen Ängste tun?
1) Bis zu einem gewissen Grad ist Selbsttherapie möglich:
- Versuchen sich der Angst zu stellen: Sie von allen Seiten zu betrachten, rein sachlich ohne zu werten.
- Atemtechniken: Ausatmung länger als die Einatmung, atme die Angst weg.
- Entspannungstechniken.
- Ablenkung
- Bewegung und Sport
- Angst enttabuisieren: Auch über Bluthochdruck und Meniskusoperationen spricht man;).
- Angst annehmen und akzeptieren Sie ist ein Teil von mir. Der Angst einen Namen geben. Der Angst die Angst nehmen.
- Sich belohnen!
- An seiner Haltung, seinem Selbstbewusstsein arbeiten.
- Nicht die Situation meiden, das schränkt den Radius ein. Die Situation nicht frontal angesehen, sondern von der Seite: Allmählich, kurzfristige Konfrontation.
- Nicht durch Alkohol, Drogen oder Tabletten.
Die Angst annehmen als das was es ist- nicht wegschieben oder verstecken- ein ambivalentes, hilfreiches, möglicherweise auch krankmachendes Phänomen, das allgegenwärtig ist.
2) Sich professionelle Hilfe holen!
Die Therapie ist pyramidenförmig:
Die Basis ist das Gespräch, die Beratung, verschiedenste Techniken und an der Spitze erst die medikamentöse Therapie.
"Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie."
Erich Kästner
Quelle:
Auszug und Zusammenfassung eines Vortrages von Reinhard Haller
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Vroni (Mittwoch, 07 Juni 2023 21:57)
Liebe Michi, ich bin ein treuer follower deines Blogs und lese mir großer Begeisterung deine spannenden Beiträge :) lieben Dank auch für den interessanten Einblick in das Thema Angst!
Waltraud (Donnerstag, 08 Juni 2023 10:45)
Auch von mir "Danke" für deine Beiträge im Blog, die immer zum Nachdenken anregen und vieles davon für jeden Einzelnen individuell hilfreich ist ! Diesmal das Thema "Angst" . Du schreibst über den Vortrag von Univ.Prof.R.Haller unter anderem : Die Angst nicht wegschieben sondern annehmen als das was es ist. Ich kann mir vorstellen , dass es zumindest bei nicht krankhafter Angst funktioniert, wenn man sich der Situation immer wieder stellt und seine Ängste " umarmt" - also positiv annimmt. Wie ich dir ja schon über WhatsApp geschrieben habe, liebe ich das Buch von Prof.Haller : Die Macht der Kränkung" besonders. Sagt es doch soviel über unser Selbstbewusstsein und unsere Reaktionen im Alltag aus. Er geht in dem Buch auch auf seine Tätigkeit als Kriminalpsychiater ein, wo er in vielen Verbrechen als Wurzel tiefe Kränkungen findet. Demütigungen und Kränkungen können uns zu selbstunsicheren Persönlichkeiten machen, also Menschen, die nicht authentisch sind. Sondern aus Angst vor Ablehnungen in ihrem Sozialleben irritiert sind und sich kaum trauen Entscheidungen zu treffen, um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Im Grund genommen sind sie "Schauspieler", weil sie nie sie selbst sind. Eine gesunde Lebenseinstellung bedeutet :" Entweder mag mich jemand genau so wie ich eben bin oder wenn nicht, ist es auch o.k. Es müssen mich nicht ALLE mögen !